Die Plakate, die für Anfang August ein Gastspiel des Zirkus „Feraro“ in Vaterstetten ankündigen hängen schon länger, ein kleines, aber entscheidendes Detail dürfte den wenigsten aufgefallen sein: der Veranstaltungsort. Denn der in Vaterstetten durch seine jährlichen Gastspiele bestens bekannte Zirkus, der am 29. Juli mit dem Aufbau begann, schlägt dieses Mal seine Zelte nicht wie sonst üblich am Reitsberger Hof auf, sondern auf der Volksfestwiese, also auf Gemeindegrund. 30 Jahre lang war das verboten – aus gutem Grund….

Der Zirkus ist da: Am Dienstagnachmittag kamen die LKW des Zirkus Feraro in Vaterstetten an. Mittlerweile steht das Zelt aufgebaut auf dem Volksfestplatz. Premiere ist am Freitag, 1. August. (Foto: B304)
Fast zwei Jahrzehnte lang musste fahrendes Zirkusvolk einen weiten Bogen um Vaterstetten machen. Wer Tiershows oder Artistik live in der Manege erleben wollten, musste in die Nachbarschaft fahren. Denn in Sachen Zirkus war die Gemeinde Vaterstetten seit Juli 1984, genauer seit dem großen Hagelunwetter am 12. Juli 1984, ein „gebranntes Kind“. Der verheerende Hagelsturm beschädigte in Vaterstetten nicht nur Häuser und Autos. Die Faust großen Hagelkörner vernichteten – im wahrsten Sinne des Wortes – in Vaterstetten auch einen angekommenen Wanderzirkus. Lamas, Affen und Ziegen irrten nach dem Unwetter verschreckt durch den Ort und mussten teilweise von Bürgern in ihren Vorgärten oder von Feuerwehrleuten und der Polizei auf der Straße eingefangen werden. Vorübergehend wurden sie bei einem Landwirt im Stall untergebracht. Die Zirkusfamilie war dazu nicht mehr fähig, sie war am Boden zerstört, denn von ihren Zelten und Anhängern war so gut wie nichts mehr übrig geblieben.
In Sachen Zirkus lange Zeit ein „gebranntes Kind“
Diese kleine Episode am Rande des Hagelsturms hatte weitreichende Folgen. Wie die meisten dieser fahrenden Familienunternehmen war der Zirkus nur ungenügend versichert. Um ihn wieder „los zu werden“ – sprich: wieder mobil zu machen – musste die Gemeinde Vaterstetten damals mit 38.000 DM einspringen. Seither ließ Vaterstetten nie mehr einen Zirkus auf Gemeindegrund. Es dauerte fast zwei Jahrzehnte, bevor wieder ein Zirkus seine Zelte aufschlagen dufte – zu verdanken ist das dem heutigen Bürgermeister Georg Reitsberger, der dafür eine Wiese zur Verfügung stellte. Und das blieb kein Einzelfall: Mittlerweile gastieren auf der Wiese neben seinem Erlebnisbauernhof regelmäßig nicht nur Wanderzirkusse, sondern auch Märchenzelte, Marionettentheater oder zuletzt ein großes Hüpfburgenland. Manchmal gab sich das fahrende Volk im übertragenen Sinne fast schon die Klinke in die Hand.
Zu Ferienbeginn wäre es jetzt zu einer Terminkollision gekommen. Der „Zirkus Feraro“ wollte wie alle Jahre auf die Wiese, die zu diesem Zeitpunkt allerdings schon anderweitig gebucht war. Auf Vorschlag von Bürgermeister Georg Reitsberger fasste der Gemeinderat deshalb in nicht-öffentlich Sitzung im Juni einen fast schon historisch zu nennenden Beschluss: nämlich dem Familienbetrieb als erstem Zirkus seit fast exakt 30 Jahren zu erlauben, auf der gemeindlichen Festwiese an der Baldhamer Straße seine Zelte aufzuschlagen. Auch weil Georg Reitsberger mit diesem Zirkus in den vergangenen Jahren immer gute Erfahrungen gemacht hat. Da der Zirkus zudem gleich im Anschluss ein weiteres Gastspiel gebucht hat, sei zudem die Gefahr gering, dass er länger als genehmigt in Vaterstetten bleibt, so der Referent des Bürgermeisters, Götz Beckenbauer, gegenüber B304.de.
April 2012: Abgesoffen in Vaterstetten
Länger als geplant zu bleiben – besser gesagt: bleiben zu müssen – ist Zirkusdirektor Hermann Schmidt und seiner Truppe allerdings in Vaterstetten schon einmal passiert, wenn auch unfreiwillig: Während eines Gastspiels im April 2012 soff der Zirkus auf der Reitsberger Wiese regelrecht ab. Dauerregen hatte die Wiese in einen matschigen Acker verwandelt. Es regnete so stark, dass sogar eine Vorstellung abgebrochen werden musste, weil das Wasser beinahe die Manege geflutet hätte. Seine gebuchte Tournee, die nächste Station wäre Grafing gewesen, konnte der Zirkus nicht fortsetzen, denn an ein Wegkommen aus Vaterstetten war nicht zu denken. Hätte man versucht, die schweren Zirkuswagen aus der Wiese zu ziehen, hätte man einen massiven Flurschaden angerichtet. Die hinterlegte Kaution wäre futsch gewesen. So wurde damals kurzerhand das Gastspiel um eine Woche verlängert. Sehr zur Freude übrigens der Eltern, die angesichts des anhaltenden Dauerregens den einen oder anderen Zirkusausflug unternahmen.
Seit Dienstag (29. Juli) ist der Zirkus nun wieder in Vaterstetten. Nachmittags rückte der Zirkustross aus Höhenkirchen an, wo man zuletzt vier Vorstellungen gegeben hatte, und begann umgehend mit dem Aufbau. Insgesamt 10 Tage bleibt der „Zirkus zum Anfassen“, wie er sich selbst beschreibt, in Vaterstetten. Davon finden an sieben Tagen Vorführungen statt – Premiere ist am Freitag, 1. August, um 18 Uhr, Weitere Vorführungen sind von Samstag, 2. August, bis Montag, 4. August, jeweils um 15 Uhr, am Freitag, 8. August, um 18 Uhr sowie am Samstag und Sonntag, 9./10. August jeweils um 15 Uhr.
Der Zirkus verzichtet auf Raubtiere und andere exotische Arten, man wolle vielmehr ein „Zirkus zum Anfassen“ sein, in dem Kinder den Kontakt mit Tieren spielerisch erleben können. „Die Tiere haben es gut bei uns, wir dressieren mit Liebe und Geduld und nicht mit der Peitsche,” so Schmidt. Die rund 40 Tiere; Ponys, Pferde, Lamas, Ziegen, Tauben, Hunde und Hühner seien schließlich ein unverzichtbarer Teil der Großfamilie, ohne sie könne man ja keine Vorstellung spielen.
Kartenreservierungen sind per E-mail (circus-feraro@web.de) oder Telefon 0160/65 00 175 möglich.