Das Hochwasser hat 2013 Deutschland und insbesondere Bayern in Atem gehalten. Tagelang kämpften ganze Landstriche gegen die Fluten – oft leider vergeblich. Bestürzt haben wir die Katastrophe in unserer unmittelbaren Nähe verfolgt und viele Menschen gesehen, die ihre Existenz verloren haben. Glücklich können sich da Gemeinden wie Vaterstetten und Grasbrunn schätzen. Denn uns können gewaltige Niederschlagsmengen nichts anhaben, weil der wasserdurchlässige Boden den Regen versickern lässt. Das war aber nicht immer so.
Wenige wissen, dass genau durch unsere beiden Gemeinden ehemals das Flussbett der Mangfall verlief. Die Mangfall war ursprünglich ein Gletscherabfluss der letzten Eiszeit, die vor rund 15.000 Jahren zu Ende ging. Dieser einstige Wildfluss formte mit seinen mitgeführten Schottermassen unseren Teil der Münchner Schotterebene. Als die Schmelzwasser weniger wurden, folgte die Ur-Mangfall nicht mehr ihrem angeschwemmten überhöhten Flussbett, sondern suchte sich ihren Weg in das tiefer gelegene, von Gletschern ausgeschürfte Innbecken.
Den ursprünglichen Verlauf der Mangfall kann man aber heute noch erkennen. Die Orte Harthausen, Grasbrunn, Neukeferloh, Vaterstetten, Weißenfeld und das Gut Ammertal liegen im Ur-Mangfalltal. Das westliche Hochufer ist in Alt-Keferloh erkennbar, als östliches Ufer vermutet man die Möschenfelder- und die Weißenfelder Straße. Im flachen Flussbett entstanden wichtige Verbindungsstraßen. Bemerkenswert ist ein Land- und Floßweg, der in einer Karte aus dem Jahre 1856 noch verzeichnet ist. Er kam aus der Gegend um Landsham, lief an Weißenfeld vorbei und berührte Eglfing. Benutzt wurde er von Isarflößern, die flussabwärts ihre Floße ablieferten und wieder zu Fuß Richtung Tölz wanderten.
Hinterlassen hat die Ur-Mangfall eine sehr steinige und karge Gegend. Die Bewirtschaftung war schwierig, lediglich mit der sogenannten Hochäckerkultur, bei der Erde zu Beeten angehäuft wurde, waren zufriedenstellende Ernten möglich. Später wurde die Gegend ein geschätztes kurfürstliches Jagdgebiet, und zur Beweidung der lichten Wälder gaben Münchener Metzger Schafe und Schweine in die Obhut der ansässigen Bauern.
Im 19.Jahrhundert lernten die Bierbrauer unsere Gegend zu schätzen. Auf den kargen Böden gedeihte nämlich vorzügliche Braugerste. Besondere Bedeutung erlangte auch der Kartoffelanbau. Die Frucht, die keine Staunässe verträgt, brachte besonders in niederschlagsreichen Jahren auf den wasserdurchlässigen Böden beste Erträge und Qualitäten.
Letztlich bleibt festzustellen: Hätte die Mangfall nicht vor einigen tausend Jahren die Kurve ins Inntal gekratzt, bräuchte sich Vaterstetten wohl keine Gedanken um ein Freibad zu machen. Aber im Ernst: Wäre es vor 15.000 Jahren anders gekommen, hätten wohl auch wir in den Gemeinden Grasbrunn und Vaterstetten bei Wolkenbrüchen mit Hochwasser zu kämpfen. Und wo wäre dann die vorzügliche Braugerste und die guten Kartoffeln gewachsen?