Ist das ehrgeizige Geothermieprojekt der Gemeinden Vaterstetten, Grasbrunn und Zorneding am Ende? In der letzten Januarwoche trafen sich die Bürgermeister der Gemeinden mit dem Investor. Was im Detail besprochen wurde, erfuhr auch B304 nicht. Sicher scheint lediglich, dass das Projekt eine (letzte?) Galgenfrist bis August hat.

Heißes Tiefenwasser sorgt in anderen Gemeinden schon seit längerem für eine umweltfreundliche Energieversorgung – hier die AFK-Zentrale bei Aschheim. (Foto: AFK)
Vor ziemlich genau einem Jahr, Mitte Januar 2013, herrschte im Münchner Osten Goldgräberstimmung. Nachdem mit fast 40 potentiellen Interessenten Gespräche geführt worden waren, konnte mit der Grünwalder Exorka GmbH endlich ein Erfolg versprechender Investor für das seit 2006 geplante interkommunale Geothermieprojekt der Gemeinden Vaterstetten, Grasbrunn und Zorneding präsentiert werden. Schon Mitte 2014, so wurde versprochen, werde mit der Bohrung begonnen, um das heiße Wasser tief in der Erde als unerschöpfliche Energiequelle anzuzapfen. Die Tochtergesellschaft der deutsch-isländischen Geysir Europe Gruppe, einem ausgewiesenen Geothermie-Spezialisten, kündigte an, rund 60 Millionen Euro Investitionskosten für Bohrung, Aufbau der Energiezentrale und das Basiswärmeverteilnetz des Wärmenetzes aufbringen zu wollen. Die drei Gemeinden sollten für die Bohrung ein Darlehen von insgesamt fünf Millionen Euro bereitstellen, das sie sich, wenn die Geothermie einmal läuft, entweder langfristig zurückzahlen lassen, oder in Anteile der künftigen Betreiberfirma umwandeln könnten.
Katzenjammer statt Goldgräberstimmung
Statt Goldgräberstimmung herrscht mittlerweile Katzenjammer, von der anfänglichen Euphorie ist nichts mehr zu spüren. Bereits Mitte 2013 wurden erste Probleme bekannt. Vergangene Woche spekulierte die Süddeutsche Zeitung zum wiederholten Male darüber, dass das Projekt wohl gescheitert ist. Denn anscheinend gelingt es nicht, eine Versicherung für das Projekt zu finden. Das aber ist eine Grundvoraussetzung für den Start, betonte der Geysir Europe-Geschäftsführer Josef Daldrup schon vor einem Jahr. Denn alleine die Bohrung bis auf 3000 Meter kostet wohl mehr als 20 Millionen Euro. Wenn sich herausstellen sollte, dass das Tiefenwasser für eine rentable Nutzung nicht warm genug ist, ist das Projekt gescheitert. Und diesbezüglich will und muss sich ein Investor bei einer Rückversicherung absichern.
Zudem mehren sich die Zweifel an der Rentabilität: Grundvoraussetzung für einen schnellen Kapitalrückfluss wäre ein zügiger Anschluss möglichst vieler Kunden. Zwar gibt es einige potentielle Großabnehmer, etwa das Rossini-Zentrum in Baldham oder die Siedlung am Daxenberg in Zorneding. Echte Zentren gibt es in keiner der Gemeinde. Andere denkbare „Großkunden“ wie Schulen, Seniorenwohnheime oder kommunale Einrichtungen sind quer über die jeweiligen Gemeindegebiete verstreut. Im Klartext: Um sie anzuschließen, benötigt es lange und teure Versorgungsleitungen. Entlang dieser Verteilnetze dominieren aber Einfamilien- oder Reihenhäuser, deren Einzelanschlusse aufwändig und entsprechend kostspielig wären. Ebenfalls ein Pluspunkt in Sachen rascher Rentabilität wäre das Vaterstettener Ortszentrum mit neuem Rathaus, Bürgerhaus, Geschäften, Wohnugnen, und Gastronomie gewesen. Nur: Dieses Projekt ist bekanntlich vorerst vom Tisch – und damit ein möglicher Großabnehmer der Erdwärme.

Die Geothermiezentrale in Unterföhring. Fraglich ist, ob eine solche Anlage in absehbarer Zeit auch irgendwo entlang der B304 die Erdwärme anzapfen kann.
Dass die Wirtschaftlichkeit des Wärmenetzes problematisch sein könnte, war den Bürgermeistern der drei Gemeinden von vorneherein klar, deshalb, so Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder, habe man sich letztlich ja für die Investorenlösung entschlossen – anders als die Gemeinden Aschheim, Feldkirchen und Kirchheim, die mit der AFK ein gemeinsames kommunales Unternehmen ins Leben gegründet haben. Dort sieht man Geothermie auch vorrangig als Umweltengagement und nicht in erster Linie als Finanzanlage, die rasch Überschüsse erzielen muss. Die Folge: Jahr für Jahr müssen die drei Gemeinden Geld nachschießen.
Ein Teufelskreis
Vaterstetten, Grasbrunn und Zorneding könnten sich damit in einem Teufelskreis wiederfinden, an dessen Ende das endgültige „Aus“ für die ehrgeizigen Geothermiepläne steht: Wenn es zum einen nicht gelingt, das unternehmerische Risiko zu versichern und zum anderen die Zweifel an der Rentabilität wachsen, pflegen sich private Investoren zurückzuziehen. Denn die wollen und brauchen einen Rückfluss des eingesetzten Kapitals in absehbarer Zeit. Abgeschrieben hat zwar auch Vaterstetten das Projekt noch nicht, hier setzt man allerdings bereits auf alternative Lösungen, so soll für die geplanten Neubaugebiete im Westen der Gemeinde ein lokales Wärmenetz z.B. mit Blockheizkraftwerken aufgebaut werden, an das sich auch ein weiterer potentieller Großabnehmer, das GSD-Seniorenwohnheim anschließen möchte. Die Netze könne man jederzeit auch mit Geothermie beliefern, falls diese eines Tages zur Verfügung stehe, so Bürgermeister Georg Reitsberger gegenüber B304. Euphorie klingt anders.
Der im Januar 2013 genannte Zeitplan ist in jedem Fall Makulatur: Damals wurde der Beginn der Bohrarbeiten für Mitte 2014 in Aussicht gestellt. Davon ist man aus den genannten Gründen derzeit weit entfernt. Letzte Woche trafen sich die Bürgermeister mit Geysir Europe-Geschäftsführer Josef Daldrup zu einem weiteren Gespräch – hinter verschlossenen Türen. Wie B304 aus gut informierten Kreisen erfuhr, hofft man jetzt bis August 2014 das Versicherungsproblem gelöst zu haben und dann den endgültigen Starttschuss geben zu können. Und wenn das wieder nicht gelingt? Nun, dann dürften die Spatzen wieder einmal das Aus des ehrgeizigen Projekts von den Dächern Zornedings, Vaterstettens und Grasbrunns pfeifen. Nur dann vielleicht endgültig.